Beim Waldbierbrauen wurde der Gedanke geboren, als Waldbierzutat eine wilde Waldhefe einzusetzen. Ein spannender Entwicklungsprozess begann…
Allgemein werden bislang zum kommerziellen Bierbrauen nur wenige ober- und untergärige Hefestämme eingesetzt, die dann von Firmen wie Fermentis oder Wyeast bzw. Hefebanken in Reinzuchtform bezogen werden. Diese Hefen zeichnen sich generell durch die Vergärung eines breiten Zuckerspektrums aus, was in den uns bekannt hohen Vergärungsgraden mündet. Je nach Hefestamm, verfügbaren Nährstoffen in der Bierwürze und den Rahmenbedingungen der Gärung resultieren aromatische Stoffwechselprodukte, die das Flavour eines Bieres deutlich mitprägen.
Die Suche beginnt…
Sucht man nun nach wilden Hefen in der Natur, öffnet sich eine völlig unbekannte Welt für uns, die man auch als echte Pionierarbeit bezeichnen kann. Schließlich ernähren sich die wilden Hefen in der Natur von anderen Zuckerquellen wie Pflanzensäften, Früchten, Blütennektar, Insektenmägen, Honig usw. und nicht von Bierwürze! So gesehen schwingt immer die Hoffnung mit, dass neue Hefestämme mit dem Substrat der Würze spannende neue Aromen erzeugen. Man geht aktuell davon aus, dass nur ein Tausendstel der weltweit vorhandenen Hefen bisher untersucht wurden.
Möchte man sich nun auf die Suche nach neuen Hefen machen, benötigt man zunächst ein möglichst selektives Substrat. Die Chance auf unbekannte Hefen ist umso größer, je exklusiver das Mikro-Biotop ist. Extreme Luftfeuchtigkeitsbedingungen oder Höhenlagen, ein besonderes Zuckerspektrum oder die Anwesenheit von Wachstumshemmnissen wie niedrige pH-Werte oder Gerbstoffe wirken selektiv.
Im Zuge dieser Überlegungen wurden von mir die Früchte des Elsbeerenbaums ausgewählt. Die kleinen, apfelartigen Früchte sind sehr tanninhaltig. Diese Polyphenole erzeugen eine gallige, nachhängende Adstringenz. Allerdings baut sich das Tannin nach dem ersten Frost schlagartig ab. Die dann mehlig-süßen Früchte sind im Spätherbst oft die einzigen Energiequellen für Vögel und entsprechend beim Federvieh sehr beliebt. Für einen Hefejäger ist die Elsbeere sehr interessant, da Frost und die Gerbstoffe viele Hefestämme zurückdrängen und auch das Zuckerangebot nur für eine äußerst kurze Zeit zur Verfügung steht.
Die Hefegewinnung…
Zunächst mussten die Mikroorganismen, die in diesem Fall in Form der Elsbeeren-Frucht ein angenehmes Nährsubstrat gefunden haben, vermehrt werden. Das schafft man durch Einstellung von für Brauhefen paradiesischen Vermehrungs-Verhältnissen: Die Elsbeeren wurden mazeriert (zu einem flüssigen Mus zerkleinert), mit sterilem Wasser verdünnt, der Saftanteil abfiltriert, der Flüssigkeit dann eine sterile Traubenzuckerlösung zugefügt, diese belüftet und auf Raumtemperatur erwärmt. Schon schnell erkennt man eine alkoholische Gärung durch Schaum- und Kohlensäurebildung. Der Gärdruck sollte über einen Spundapparat abgeführt werden. Am Ende der Gärung bildet sich ein Bodensatz und die Flüssigkeit klärt sich.
Die Mikroorganismen-Vereinzelung…
Eine Probe vom Bodensatz wird auf ein für Hefen selektives Nährmedium aufgetragen und durch spezielle Ausstrichtechniken so vereinzelt, dass einzelne Kolonien wachsen und diese dann als Reinzuchthefe weitervermehrt, aber vor allem gentechnisch untersucht werden können. Die Analyse des Genoms ergibt dann die genaue Hefeart und ob es sich um eine Unterart oder neue Spezies handelt.
Das Ergebnis…
In Zusammenarbeit mit dem Hefezentrum des Forschungszentrums Weihenstephan, die die Selektion und Taxonomie vorgenommen haben, wurden auf der Elsbeeren-Frucht verschiedene Wildhefestämme gefunden. Unter den Stamm-Nummern TUM 631 bis TUM 634 lagern diese nun in Kyroform in der Weihenstephaner Hefebank, um weiter untersucht zu werden. Grundsätzlich handelt es sich um Varianten zweier Stämme:
Es handelt sich eine Wilde Hefe, die genetisch zu 55% mit der klassischen Brauereihefe übereinstimmt, aber nicht in der Lage ist Fruchtzucker und Malzzucker zu vergären. Sie ist auch intoleranter gegenüber höheren Temperaturen. Diese Hefe vergärt also Bierwürze nur schwach und ist daher eher für alkoholfreie Biere einsetzbar. Paradoxus-Stämme erzeugen fruchtige Biere mit Orangen- und Nelkennoten.
Diese wilde Hefe kennt man vor allem aus der Cider- und Wein-Herstellung. Insbesondere weil sie relativ tolerant gegenüber Schwefeldioxid ist. Sie bildet zitronenförmige Hefezellen und kann nur wachsen und sich vermehren mit Traubenzucker. Andere in der Bierwürze enthaltenen Zucker werden nicht verstoffwechselt. Sie bildet ein komplex-fruchtiges, intensives Aroma aus, aber vergärt Bierwürze auch nur schwach.
Zusammenfassung
Für eine Hauptfermentation meines eher alkoholreichen Waldbieres waren beide gefundenen Hefestämme aufgrund ihrer eingeschränkten Zuckervergärung nicht geeignet. In einer Mischung zusammen mit obergärigen Brauhefen könnten sie aber gerade als Starterkultur interessante Aromen einbringen. Beide Stämme haben sicher bereits im Mittelalter in spontanvergorenen Bieren eine Rolle gespielt, weil sie nahezu weltweit vorkommen und auf Früchten gut wachsen.